Der 3D-Druck von Gebäuden erhält immer wieder große Aufmerksamkeit in den Medien und auf Youtube gibt es zahlreiche Videos, die den Entstehungsprozess zeigen. Dabei sind die möglichen Anwendungsfelder des 3D-Drucks im Baubereich sehr viel weitreichender. Der folgende Beitrag stellt relevante Verfahren vor und zeigte jeweils passende Beispiele.
Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten bietet das Binder-Jetting-Verfahren, ein Pulverbettverfahren, bei dem verschiedenste Materialien zum Einsatz kommen können. Ein pulverförmiges Ausgangsmaterial wird schichtweise mit einer Rakel oder einer Rolle auf eine Bauplattform aufgetragen. Anschließend trägt ein Druckkopf ein Bindemittel an den Stellen des Querschnitts des entstehenden Bauteils auf. Die Bindemitteltröpfchen verkleben die Pulverkörner. Die Bauplattform senkt sich um die eingestellte Schichtstärke nach unten und der Vorgang beginnt von Neuem. Das Verfahren funktioniert auch mit Metallpulver, allerdings müssen die entstehenden Objekte im Nachgang gesintert werden.
Anschauungsmodelle aus Gips
Das Binder-Jetting-Verfahren kommt zum Beispiel bei der Herstellung von Anschauungsmodellen zur Bauplanung und Präsentation von Bauprojekten zum Einsatz. Verwendet wird dafür Gipspulver und bei Farbdrucken ein Bindemittel, dem Farbpigmente beigemischt werden. Allerdings sind solche Modelle sehr schlag- und bruchempfindlich. Sie werden deshalb meist mit einem Harz nachbehandelt, das die Robustheit und Farbbrillanz erhöht.
Folgendes Foto zeigt zwei Beispiele. Links ist ein Geländemodell der Ernst-Abbe-Hochschule Jena zu sehen. Die Daten für die Erstellung des erforderlichen Computermodells – wie City-GML, Orthofotos und digitale Geländemodelle – sind frei zugänglich. Für die Zusammenführung und Prozessierung der Daten wurde eine spezielle Software verwendet. Rechts ist das Modell eines 3D-gedruckten Einfamilienhauses abgebildet.
Landschaftsmodell und Hausmodell: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
Schalungen aus Sand und Kunststoff
Das nächste Beispiel zeigt, wie Binder-Jetting für die Herstellung einer Schalung zum Guss einer Betondecke verwendet wurde. Die Schalung bestand aus Sand und einem Bindemittel. Die Deckengeometrie wurde vorher optimiert und an die tatsächliche statische Belastung angepasst. Daraus ergab sich neben der sehr komplexen Form auch eine erhebliche Materialeinsparung.
Betondecke: © Digital Building Technologies (dbt), ETH Zürich / Andrei Jipa (Bild links); Tom Mundy (Bild rechts)
Schalungen können aber auch aus Kunststoffpulver und Bindemittel gedruckt und zum Beispiel zur Instandsetzung architektonischer Ornamente genutzt werden. Das New Yorker Architektur- und Ingenieurbüro EDG verwendet diese Technologie für Restaurationsarbeiten.
Einrichtungsobjekte aus Sand
Die Firma Sandhelden nutzt hingegen das Binder-Jetting-Verfahren mit Sand für die additive Herstellung von Waschbecken und Badwannen. Auch zahlreiche Kunst- und Designobjekte entstehen so in Zusammenarbeit mit Künstlern und Designern über die Plattform Sandhelden Academy.
Waschbecken und Vase: © Sandhelden GmbH & Co. KG
Ein weiteres 3D-Druck-Verfahren, das im Baubereich Anwendung findet, ist das Selektive Laserschmelzen (SLM). Es handelt sich ebenfalls um ein Pulverbettverfahren, allerdings werden die Pulverpartikel nicht verklebt, sondern mit einem Laser untereinander verschmolzen.
3D-Druck zur Fassadengestaltung
Im Baubereich wird dieses Verfahren vor allem bei der Fassadengestaltung eingesetzt. Ein Beispiel ist der 3D-Druck von Fassadenknoten aus Aluminium im Pilotprojekt “HivE”. Um Material einzusparen, wurden die Knoten zunächst individuell topologieoptimiert und anschließend beim Aufbau der Fassade durch Standard-Fassadenprofile aus Pfosten-Riegel-Systemen verbunden. Die additiv hergestellten Aluminiumknoten erweitern die Möglichkeiten der individuellen Fassadengestaltung erheblich.
Fassade und Fassadenknoten: © Pilotprojekt “HivE”, Lithium Designers / Dr. Alamir Mohsen
Interessant für die Bauwirtschaft sind auch alle 3D-Druck-Verfahren, die Material über eine Düse auftragen. Dazu gehören die Schmelzschichtverfahren (z.B. FDM) ebenso wie die PEM-Verfahren, die pastöses Material extrudieren.
Interieur und Fassaden aus Kunststoff
Das Schmelzschichten von Kunststoff findet man insbesondere bei Designergegenständen für die Inneneinrichtung, beispielsweise additiv hergestellte Hocker und Vasen. Allerdings gibt es auch schon Pläne, eine ganze Fassade mit Hilfe von 3D-Druckern herzustellen, wie beim Deutschen Museum in München. Die 1x1m Fassadenelemente sollen aus PETg-Kunststoff bestehen und vor Ort montiert werden. Durch die Geometrie der inneren Zellstruktur sind integrierte Funktionen möglich. Sie sorgen für Witterungsschutz, Dämmung, Verschattung, Belüftung und erzeugen bestimmte akustische Eigenschaften.
3D-Druck von Gebäuden
Der 3D-Druck mit pastösem Material wie Lehm oder Beton wird vor allem beim Häuserdruck angewandt. In den vergangenen zwei Jahren entstanden Deutschlands erste 3D-gedruckte Häuser aus Beton als Pilotprojekte der Firma PERI: ein Musterhaus in Beckum und ein Mehrfamilienhaus in Wallenhausen. Das zweigeschossige Musterhaus wurde innerhalb von 100 Stunden gedruckt. Die Druckzeit des dreigeschossigen und bereits bewohnten Mehrfamilienhauses betrug insgesamt 72 Stunden. Allerdings umfasst die Druckzeit jeweils nur den Rohbau. Der Ausbau der Häuser sowie das Einbringen von Decken und Treppen fand konventionell statt, so dass der Gesamtbau jeweils ca. ein Dreivierteljahr dauerte.
Beckum Einfamilienhaus und WASP: © Haus in Beckum; PERI 3D Construction (links) © WASP-Wandstruktur; Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau (rechts)
Interessant für visionäre Anwendungen des 3D-Druck-Verfahrens in Krisengebieten oder vielleicht sogar im Weltall ist die Verwendung von Material, das vor Ort verfügbar ist. Die Firma WASP hat in den letzten Jahren mit einigen Projekten auf sich aufmerksam gemacht, bei denen Lehm als Baumaterial zum Einsatz kam. Im Tecla-Projekt wurde beispielsweise in Norditalien ein 60m2-Haus errichtet, für das Druckmaterial aus einem nahegelegenen Flussbett verwendet wurde.
Ansprechpartnerin:
Dr. Kerstin Michalke
Tel.: +49 3641 – 205 390
E-Mail: michalke@kompetenzzentrum-ilmenau.de
Bildquellen:
- Landschaftsmodell und Hausmodell: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
- Betondecke: © Digital Building Technologies (dbt), ETH Zürich / Andrei Jipa (Bild links); Tom Mundy (Bild rechts)
- Waschbecken und Vase: Waschbecken und Vase: © Sandhelden GmbH & Co. KG
- Fassade und Fassadenknoten: © Pilotprojekt “HivE”, Lithium Designers / Dr. Alamir Mohsen
- Beckum Einfamilienhaus und WASP: © Haus in Beckum; PERI 3D Construction (links) © WASP-Wandstruktur; Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau (rechts)