Quelle: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
Die Modellfabrik Vernetzung optimierte gemeinsam mit der Firma Berghof Systeme GmbH im Rahmen eines Projektes die Prozesse des thüringischen Unternehmens Noblex GmbH. Die Noblex GmbH, eine Ausgründung aus der Marke Docter® und der Analytik Jena AG, fertigt komplexe optoelektronische und elektromechanische Baugruppen und Endgeräte, wie beispielsweise Zielfernrohre und Ferngläser an. Das südthüringische Unternehmen mit Sitz nahe Eisfeld arbeitet als Zulieferer für viele bekannte Unternehmen.
Die Auftragslage war gut, die Arbeiter hatten gut zu tun. Dennoch klingelte immer öfter das Telefon in der Chefetage, im Verkauf und sogar direkt in der Produktion. Lieferverzug, verspätete Lieferung – das waren die Worte, die ständig in der Luft schwebten. Eine Veränderung musste her. Das Unternehmen wandte sich an die Modellfabrik Vernetzung des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau, welches in Kooperation mit der Firma Berghof Systeme GmbH dem Unternehmen innerhalb kürzester Zeit zum Wendepunkt verhalf. Der Ausweg aus dem Dilemma: Digitalisierung!
Detektivarbeit: Wo liegen die Probleme?
Angefangen wurde klassisch: In einer Ist-Analyse wurde zunächst der Auftragsabwicklungsprozess unter die Lupe genommen. Bereits nach kurzer Zeit wurden die ersten Diskrepanzen zwischen dem wahrgenommenen, also gewünschten Prozess, und den eingestellten Parametern im eingesetzten ERP-System festgestellt. Kurz: die gelebten Grunddaten passten nicht zum angestrebten Logistikansatz. Das erste Grundproblem war also gefunden.
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Die Produktionsengpässe wurden als Nächstes untersucht. Durch die Turboeinführung eines Advanced Planning and Scheduling (APS)-Systems [1]konnten durchgehende Auftragsnetze[2] gefunden werden. Die berühmte Geschichte eines Fehlteils, das zum Zeitpunkt der Auslieferung einen vier-, fünf- oder sogar sechsstelligen Wertbetrag erhält, gehörte ab sofort der Vergangenheit an. Die Disposition wurde neu ausgerichtet, die Synchronisationsfehler zwischen den Bedarfen und Zugängen auf allen Dispositionsstufen gefunden und eliminiert. Und schon schrumpfte die Fehlteilliste von Tag zu Tag.
Volle Ausschöpfung der Kapazitäten
Nach dem Material folgten die Kapazitäten. Um die Engpässe in dem Unternehmen aufzulösen, setzte man organisatorisch ganz stringent den „Theory of Constraints“ (TOC)-Ansatz von Goldratt um, auch bekannt als „Engpasstheorie“. Der Hauptsatz der TOC besagt, dass es in jeder Wertschöpfungskette genau ein System gibt, dass die Leistungsfähigkeit des Ganzen bestimmt – der „eindeutige Engpass“.[3] Aufbauend auf dem TOC-Ansatz wurde in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Ilmenau und Berghof Group GmbH ein Simulationsprogramm entwickelt, das nicht nur den Puffer vor dem Engpass erhöht, sondern auch den Austausch von Arbeitsvorräten der Engpässe ermöglicht.
Quelle: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
Diese neue Weiterentwicklung des TOC-Ansatzes sorgt nun für eine optimale Belegung aller Maschinen. Als Folge davon wurde die zuvor unvollständig genutzte Flexibilität effizienter ausgeschöpft. Die Auswirkung ließ nicht lange auf sich warten: der Materialstau an den Engpässen ist sichtbar gesunken und der Wochenoutput gestiegen.
Wie geht es weiter?
Schnelle Reaktionszeiten sind der Schlüssel zum Erfolg. Folglich ist die Optimierung der aktuellen Situation nicht das Endergebnis, sondern nur die Basis dafür. Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau und die Berghof Group GmbH arbeiten momentan an einer Lösung, welche den Mitarbeitern fortlaufend die prognostizierten Engpässe anzeigt. Vorausschauende Planung und Steuerung werden dadurch direkt am Ort des Geschehens – in der Produktion – möglich.
Die Optimierung hatte übrigens noch einen weiteren positiven Effekt: Das Telefon klingelt jetzt deutlich seltener.
Der Beitrag ist in leicht abgewandelter Form in der Dezemberausgabe 2018 der Ingenieur-Nachrichten erschienen. Besuchen Sie auch gern unsere Projektseite.
Ansprechpartner:
Mathias Eiber
Modellfabrik Vernetzung
Telefon: 03677/69-3865
E-Mail: eiber@kompetenzzentrum-ilmenau.de
Quelle: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
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[1] Advanced Planning and Scheduling-Systeme (APS-Systeme) werden in der Produktionswirtschaft zur Unterstützung der Planungsfunktionen eingesetzt. Beispiel: ERP-Systeme
[2] Ein Auftragsnetz ist die Verknüpfung von Plan- oder Fertigungsaufträgen über mehrere Fertigungsstufen hinweg.
[3] Weiterführende Informationen zu dieser Theorie finden Sie im Buch „Das Ziel“ von Eliyahu Goldratt (2002).
Bildquellen
- Besprechung bei Noblex: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
- Maxim Reimche von der Modellfabrik Vernetzung erklärt die geplanten Änderungen: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
- Engpass: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
- Gruppenfoto: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
- Produkte von Noblex: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau