Quelle: © Mittelstand-Digital Zentrum IlmenauZur Vernetzung und Steuerung von Industrieanlagen bedarf es häufig der Möglichkeit, Daten echtzeitfähig zu übertragen. In der Regel verwenden Bestandsmaschinen hierfür ein herstellerspezifisches echtzeitfähiges Netzwerkprotokoll (oft auf Ethernet-Basis). Verschiedene Maschinen können so unter Umständen nur über unterschiedliche Protokolle angesteuert werden und benötigen dementsprechend im schlimmsten Fall auch jeweils eine eigene Netzwerkinfrastruktur.
Was ist TSN?
Die TSN-Standards (TSN: Time Sensitive Networking) ermöglichen es hingegen, unter anderem recht einfach, vorhandene Protokolle unter Einhaltung von Echtzeitbedingungen über ein TSN-Netzwerk zu übertragen (zu tunneln). Für viele Echtzeit-Ethernet-Protokolle existieren hier bereits die entsprechenden Spezifikationen. Dies kann die Integration vorhandener Maschinen in ein z.B. fabrikübergreifendes Netzwerk auf TSN-Basis erleichtern und den Aufbau zusätzlicher individueller Netzwerkinfrastruktur erübrigen. Im IMMS wird derzeit ein Demonstrationsobjekt aufgebaut, das über ein Netzwerk auf TSN-Basis kommuniziert. Voraussetzung hierfür sind flexible TSN-Endpunkte, die alle Anforderungen hinsichtlich Kommunikation, Echtzeitfähigkeit und Performance des umzusetzenden Regelalgorithmus erfüllen.
Was ist besonders an Time Sensitive Networking?
Wie der Name es bereits vermuten lässt, ist aufgrund der strengen Echtzeitanforderungen das entscheidende Merkmal die Zeit. Damit die Kommunikation mit ebendiesen Echtzeitanforderungen funktioniert, muss jedes Gerät des Netzwerks eine eigene Uhr besitzen. Die Uhren der Geräte des Netzwerks müssen untereinander zeitsynchronisiert sein, sodass dann zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Aufgaben ausgeführt werden können.
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Demonstrator zeigt in Echtzeit per TSN vernetzte planare Direktantriebe
Abbildung 1 zeigt den Aufbau des kompletten Szenarios. Als Aktor dient eine Linear-Achse, deren Motorcontroller Steuerbefehle über Ethernet und das Modbus / TCP-Protokoll erhält. Über einen zwischengeschalteten TSN-Switch werden die Steuerungsdaten in einem TSN-Stream zur Regeleinheit, ein Linux-PC mit RT-Preempt-Linux, getunnelt. Einfach übersetzt bedeutet dies, dass ein TSN-basiertes Netzwerk genutzt wird, um ein klassisches Industrial-Ethernet-Protokoll unter Wahrung seiner Echtzeiteigenschaften zu übertragen. Der komplette Versuchsaufbau wird von einer Industrie-Ethernet-Kamera erfasst, deren Datenstrom ebenfalls über den TSN-Switch und darauffolgend über den gleichen physischen Netzwerk-Link zum Regelsystem übertragen wird.
Die Regelung kann daraufhin über entsprechende Bilderkennungsalgorithmen auf Änderungen im Bewegungsablauf der Linearachse reagieren. Ziel ist es, zu zeigen, dass sowohl der Stream der GBit-IP-Kamera als auch die Steuerbefehle für den Motorcontroller parallel über eine TSN-Verbindung übertragen werden können, ohne dass sie sich gegenseitig insbesondere in ihren Echtzeiteigenschaften beeinflussen.
Umsetzung des Demonstrationsszenarios
In einem ersten Schritt der Umsetzung des Demonstrationsszenarios wurde das Protokoll zur Ansteuerung des Motorcontrollers der Linearachse analysiert. Darauf aufbauend erfolgte die Implementierung einer Anwendung, die in einem festen Zeitraster aus allen Registern des Controllers die Istwerte ausliest und dann alle Register mit den Sollwerten beschreibt. Hierbei wurde auf die OpenSource-Bibliothek libmodbus zurückgegriffen, um komfortabel das Modbus-Protokoll benutzen zu können.
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Im weiteren Verlauf wurde eine grafische Nutzeroberfläche, Abbildung 2, umgesetzt, die es erlaubt, interaktiv eine Verbindung mit dem Motorcontroller herzustellen. Zudem können hierüber die Registerwerte des Controllers verfolgt und auch verändert werden. So ist es möglich, verschiedene Abläufe zu erproben, die später automatisiert erfolgen können. Auf diese Weise können Funktionen zur Anzeige der aktuellen Position, zum Homeing und zur manuellen Bewegung des Läufers der Achse umgesetzt werden.
Weitere Schritte umfassen die Integration der Industrie-IP-Kamera, inklusive deren Parametrierung, Bilddatenerfassung und -auswertung. Aus z.B. der Objektdetektion der Szene kann anschließend ein Regelalgorithmus abgeleitet werden. Ein weiterer Schritt ist die Konfiguration der Netzwerkdatenübertragung über TSN für das endgültige Demonstrationsszenario. Hierbei muss sowohl die Switch-Konfiguration als auch die Integration des Linux-PC, die TSN-Stream-Aufteilung sowie das Setup der Netzwerkscheduler vorgenommen werden.
Die beschriebenen Schritte sollen in den nächsten Wochen abgeschlossen werden, sodass interessierten Besuchern im IMMS Ilmenau dieses Szenario live demonstriert werden kann.
Ansprechpartner:
Frank Spiller
Modellfabrik Migration
Telefon: 03677/8749-361
E-Mail: spiller@kompetenzzentrum-ilmenau.de
Bildquellen
- Demonstratoraufbau: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
- Demonstrator-Setup: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
- Programm zur Steuerung der Linearachse: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau