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Strategische Kommunikationsplanung findet in der Managementpraxis von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die immerhin 99,6% aller Unternehmen in Deutschland darstellen, nur bedingt Anwendung, wie die Studie zur Mittelstandskommunikation 2016 erneut belegte.
Die Wissenschaftler befragten über 500 Unternehmen, davon 270 KMU mit weniger als 500 Mitarbeitern und weniger als 50 Millionen Euro Jahresumsatz. Das Ergebnis: 90% der befragten KMU beurteilt die Relevanz der digitalen Transformation für Marketing/PR als sehr hoch, 58,5 Prozent der Befragten beschreiben ihre eigene Unternehmenskommunikation bereits als sehr stark digitalisiert. Aber nur ein Zehntel hat für die Digitalisierung ihrer Kommunikation eine übergeordnete Strategie.
Es fehlt an digitalen Strategien – ein Grund zur Sorge?
Um das Potenzial interner und externer Unternehmenskommunikation ausschöpfen zu können, analoge und digitale Kommunikationsprozesse zu integrieren, zu steuern und ihre Leistung erfolgskritisch messen zu können, ist ein an den Unternehmenszielen orientiertes, planvolles Kommunikationsmanagement notwendig. Hier zeigt sich, welche Ziele mit welchen Zielgruppen, Instrumenten und Kanälen bespielt werden müssen. Hier wird deutlich, wo investiert werden muss. Doch genau daran mangelt es dem Mittelstand.
Die Public Relations Forschung brachte in den vergangenen zehn Jahren Modelle und Theorien eines planvollen, strategischen Kommunikationsmanagements hervor, welches ausgehend von den Unternehmenszielen Strategien, Maßnahmen und Prozesse ableitet, um Kommunikation im Unternehmen als Wertschöpfungsprozess effektiv und effizient einsetzen zu können. Auf dieser Basis entwickelten sich – angelehnt an die originäre Managementlehre der strategischen Planung – auch Modelle zur Wirkungsmessung, die das Controlling von Kommunikationsprozessen in Unternehmen ermöglicht.
Planung nach Lehrbuch
Wie es schon die klassische Managementlehre vorgibt, folgt das Strategische Management auch in der Unternehmenskommunikation der Fragestellung „Wie komme ich von A nach B“. Oder besser: Wer muss wann, worüber in welchem Kanal informiert werden, damit wir unsere Kommunikationsziele erreichen? Dieses linear-kausale Denken bildet die Grundlage strategischer, an den Unternehmenszielen ausgerichteter Kommunikationsplanung. Es basiert auf der Annahme, dass Chancen und Möglichkeiten potenzieller Vorhaben in der Umwelt angelegt sind und anhand von Analysen entdeckt und erschlossen werden können. Um die Lücke zwischen dem vorliegenden unbefriedigenden IST-Zustand und dem angestrebten SOLL-Zustand zu schließen, werden zunächst Ziele definiert, die es möglichst auf direktem Weg unter effizienten und planvollen Mitteleinsatz zu erreichen gilt. Hierzu gehen detaillierte Analysen voraus, um die Umwelt genauestens kennenzulernen und alle Rahmenbedingungen, Möglichkeiten und Risiken berücksichtigen zu können. Den Analysen folgen Entscheidungs- und Planungsprozesse, die falls nötig mit der Bereitstellung nötiger Ressourcen einhergehen. Sind alle Voraussetzungen geschaffen, gilt es zu handeln und sich mit jedem Handlungsschritt strategisch der Problemlösung zu nähern. Soweit die Theorie.
Digitalisierung der Kommunikationsarbeit – die Praxis sieht anders aus
Eine Schwäche dieser zielorientierten, strategischen Methodik besteht in der Praxis nicht nur für mittelständische Unternehmen darin, dass Analysen ungenau sind, Umweltbedingungen sich ändern können oder die strikte Zielorientierung das Wahrnehmen von peripheren Chancen verhindert. Nicht vorhersagbare Veränderungen der Unternehmensumwelt und Mediennutzung relevanter Zielgruppen, unbestimmbare Verfügbarkeit der eigenen Ressourcen oder sich rasant verändernde Marktbedingungen und Rechtslagen erschweren die strategische Kommunikationsarbeit nicht nur in KMU – sie erfordern Entscheidungen unter Ungewissheit, auf Basis von Intuition, Wissen und Erfahrung.
Inhabergeführte Unternehmen bzw. Startups nutzen Prognosen und statistische Analysen, auf denen sie ihre Pläne aufbauen nur bedingt – sie verlassen sich eher auf Informationen aus ihrem Umfeld. Sie entscheiden spontan und situativ, kommunizieren direkt und persönlich, vielfach ohne professionelles Know-how. Hinzu kommen die knappen Ressourcen an fachlichem Personal, an Zeit und an dem notwendigen Budget. So wird die digitale Transformation der Kommunikationsprozesse im Mittelstand auch eher mittels einzelner Maßnahmen vollzogen. Dabei sind es weniger die visionären Strategien als vielmehr externe Anforderungen z.B. durch Kunden selbst, die die Transformation auslösen. Das Fazit der Studie: Solange fachliche (Mangel an Know-how und Relevanzverständnis), zeitliche (Überlastung der Mitarbeiter durch fachübergreifende Aufgabenverteilung), finanzielle Ressourcen (Budgetrestriktionen) und mangelnde zielorientierte Planung die Kommunikationsarbeit im Mittelstand bestimmen, ist kein strategisches Management möglich. Ohne diese zielorientierte Planung wird jedoch auch die Wirkungsmessung von Kommunikationsmaßnahmen verhindert. Ein Beleg für die wertschöpfende Funktion der Unternehmenskommunikation würde, da ist sich die PR-Forschung einig, den Weg in die zugegeben aufwendige Niederschrift konkreter strategischer Ziele und Pläne ebnen, die wiederrum festlegen, in welche Kanäle zukünftig Zeit und Geld investiert werden muss. Ein Teufelskreis also?
Besser? Schlechter? Anders!
Zu bedenken ist hierbei, dass KMU gänzlich andere Erfolgsfaktoren aufweisen als große Unternehmen. Ihre Stärke liegt von jeher in der Fähigkeit, sich ihrem dynamischen Umfeld flexibel anzupassen. Ursache hierfür sind zum einen der große Einfluss der Geschäftsführung auf die Entscheidungen der funktionalen Einheiten wie auch die kurzen Informations- und Entscheidungswege innerhalb flacher Hierarchien. Zum anderen verfügen die Geschäftsführer von KMU über ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten, wie die Forschung von Hermann Simon zur Entwicklung von Hidden Champions zeigt . Sie tauschen sich direkt und persönlich aus, schwören ihre Mitarbeiter nicht selten regelrecht auf die Unternehmensziele ein. Ihre Beziehungen sind von Langjährigkeit und Vertrauen geprägt. Obwohl nicht selten als traditionsbewusst und beratungsresistent kritisiert, gilt ihr Führungsstil als agil, nachhaltig, offen und zukunftsgestaltend. Beste Voraussetzungen also, sich den Herausforderungen der digitalen Kommunikationskanäle zu stellen.
Trotzdem oder gerade deshalb sind Newsrooms, Chat-Bots, SMART Data-Nutzung, KI oder interne Kommunikationsplattformen noch Themen, die gerade erst auf die Agenda der Mittelständler rücken. Vor dem Hintergrund ihrer spezifischen Struktur suchen sie nach eigenen, an Ressourcen und Kommunikationskultur angepassten Lösungen. Denn trotz aller gemeinsamen Herausforderungen bestehen markante Unterschiede zu großen Unternehmen. Denn: Bei KMU handelt es sich nicht um herunterskalierbare Konzernstrukturen. Sie folgen eigenen Regeln, bevorzugen kurze Planungshorizonte, agieren situations- und anlassbezogen nach iterativen Trial- und Error-Schleifen und orientieren sich oftmals vorwiegend an den vorhandenen Ressourcen statt an strategischen Zielen.
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Der Mittelstand folgt seiner eigenen Logik …
Etablierte mittelständische Unternehmen sowie innovative Startups weisen damit auf eine alternative Entscheidungslogik zum kausal-linearen Denken des klassischen Managementprozesses hin: obwohl sie ihre kommunikativen Wertschöpfungsbereiche nicht nach Ziel und Plan gestalten und zuvor festgelegten Strategien folgen, wachsen diese, sind erfolgreich und entwickeln schrittweise eine professionelle Organisationspraxis. Sie haben aufgrund ihrer strukturellen Schwächen einen anderen Weg gefunden, betriebswirtschaftliche Wertschöpfung in ihren organisatorischen Einheiten zu organisieren, agieren mittel- statt zielorientiert mit einem starken Fokus auf Kunden und Märkte. Sie nutzen ihre strukturspezifische Stärke der direkten Kommunikation und marktorientierten Flexibilität, um sich am Bedürfnis der Kunden sowie den Anforderungen des Marktes zu orientieren. Auf diese Weise sind sie in der Lage, sich in Phasen der Unsicherheit stets neu auszurichten, bevor sie ihre langfristigen Ziele definieren bzw. anpassen. Insbesondere das Kommunikationsmanagement in KMU könnte auf diese Weise den Einstieg von Ad-hoc-Entscheidungen in strategische Planungsprozesse digitaler Kommunikation – ja sogar bis hin zur Definition einer integrierenden Kommunikationsstrategie – finden.
… und wird in unsicheren Zeiten zum Vorbild der Konzerne
Ihre Handlungs- und Entscheidungslogik könnte gar mit Blick auf die unsichere Entwicklung der digitalen Transformation und der steten Veränderung der medialen Kanäle großen Unternehmen als Vorbild dienen. Denn: durch die Konzentration auf ihre Ressourcen und Erfolgsfaktoren sowie die Einbeziehung möglicher Anpassungen von Plänen im Vollzug wird Handlungsfähigkeit unter Ungewissheit sichergestellt: Es werden Spielräume und Optionen im Kommunikationsmanagement geschaffen, risikoarme Schritte unter Abwägung des verkraftbaren Verlustes eingeleitet und Chancen aus dem Umfeld genutzt.
Das Mitteltand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau führt hierzu aktuell eine eigene Studie durch – Ziel ist es, die Entscheidungslogik mittelständischer Strategieentwicklung und Planung in der Unternehmenskommunikation zu analysieren und zu modellieren. So könnte diese nicht nur auf andere funktionale Ebenen wie bspw. das Marketing übertragen werden, sondern auch den Großunternehmen Zugang zu einem Prozess gegeben werden, der ihnen einen flexiblen aber gestaltenden Weg durch die digitale Transformation der Unternehmenskommunikation ermöglicht.
Autorin: Ninette Pett
[1] Zerfaß, A., Fink, S., & Winkler, L. (2016): Mittelstandskommunikation 2016 – Studie zur Professionalisierung, Digitalisierung und Führung der Unternehmenskommunikation. Leipzig, Wiesbaden: Universität Leipzig, Fink & Fuchs PR AG [2] Simon, H. (2006): Erfolgsfaktoren – Was zeichnet die „Stillen Stars“ im Mittelstand aus? In: Krüger, W. et al. (Hrsg.): Praxishandbuch des Mittelstands. Leitfaden für das Management mittelständischer Unternehmen. Wiesbaden: Gabler [3] Winkler, L., Volk, S.C., Borner, M., Zerfaß. A. (2018): Zwischen Intention und Emergenz: Mittelstandskommunikation im Spannungsfeld kontroverser Strategieparadigmen, In: Wehmeier, S., Schoeneborn, D. (Hrsg.): Strategische Kommunikation im Spannungsfeld zwischen Intention und Emergenz, Wiesbaden: Springer VS, S. 215-232 [4] Faschingbauer, M., Mauer, R., Read, S. (2013): Effectuation – Forschungsergebnisse, In: Faschingbauer, M. (Hrsg.): Effectuation. Wie erfolgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln. Stuttgart, Schäfer-Pöschel-Verlag Ansprechpartner:
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