Künstliche Intelligenz ist spätestens seit Chat-GPT 3 in aller Munde. Doch das ist bei weitem nicht die einzige Anwendung, die im Handwerk eingesetzt werden kann. Welche Technologien heute schon im Handwerk verwendet werden können und was wir in Zukunft noch brauchen, zeigt Robert Falkenstein vom Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk auf.
Ausgangspunkt
Chatbots, Digitales Aufmaß, Bedarfsvorausplanung, Echtzeitübersetzung: Sie alle haben eins gemeinsam: Sie stellen Anwendungsfälle des Technologiefelds Künstliche Intelligenz im Wirtschaftszweig Handwerk dar. Doch bevor näher darauf eingegangen wird, benötigt es eine Begriffsdefinition: Was ist eigentlich Handwerk? Immerhin stellt es mit über 130 Berufen laut der Handwerksordnung ein sehr breites Umfeld dar.
Was ist eigentlich das Handwerk?
Stellen Sie sich eine typische Handwerkerin oder einen Handwerker vor: Was sehen Sie? Vermutlich gelber Bauhelm, irgendwo mit einem Hammer auf der Baustelle mit Baustellenradio. Wenn Sie dem Heimwerken eher abgeneigt sind, dann vielleicht noch die Fliesenlegerin, die neulich da war oder wie war das mit Bäckereien? Und die Kfz-Werkstatt um die Ecke hat doch einen Meisterbrief an der Wand hängen?
Genau hier stellt sich schon einmal die erste Herausforderung, wollen wir über künstliche Intelligenz im Handwerk reden. Neben den „klassischen“ Gewerken im Bau und Ausbau und dem Lebensmittelgewerke sind bei den 130 Berufen auch einige Überraschungen dabei. Wussten Sie, dass Gebäudereinigung ein Handwerksberuf ist, der sogar deutschlandweit am meisten MitarbeiterInnen beschäftigt? Von 5,4 Millionen tätigen Personen im Handwerk 2020 waren ganze 600.000 in der Gebäudereinigung beschäftigt – etwas mehr als im gesamten Kraftfahrzeuggewerbe mit der Zweiradmechanik und etwa doppelt so viele wie im Berufsbild BäckerIn! (Quelle: Kennzahlen im Handwerk: Betriebe/Beschäftigte/Umsätze | ZDH (28.04.2023)). Aber auch weitere Berufe sind im Handwerk verortet: Bestattungen, Bootsbau, Feinwerkmechanik, Fachverkauf im Lebensmittelhandwerk (Bäckerei, Fleischerei) und vieles mehr.
Digitalisierung in der Breite
Durch diese schiere Anzahl an unterschiedlichen Tätigkeiten ist die Digitalisierung dementsprechend vor einige Herausforderungen gestellt. Beispielsweiße verhalten sich Lösungen im digitalen Aufmaß bei Malereien (360°-Innenraumscanner) gänzlich anders als bei Dachdeckereien (Drohnen mit Photogrammmetrie).
Bei der Künstlichen Intelligenz verhält es sich ähnlich – und es darf auch nicht vergessen werden, dass wir relativ am Anfang stehen. Drohnen oder 3D-Drucker bekomme ich inzwischen in jedem Elektroeinzelhandel – KI-Lösungen sind eher rar gesät. Doch was für KI-Lösungen kommen eigentlich für das Handwerk in Frage?
KI-Lösungen für das Handwerk
Das nachfolgende Bild zeigt hierbei einige Bereiche auf, in denen KI im Handwerk sinnvoll eingesetzt werden kann – und bei denen schon heute Lösungen existieren!
Spezialbereiche sind Produkte im Smart Home- & Living-Bereich – die Elektrotechnik- und Sanitär-Heizung-Klima-Betriebe setzen KI über die Produkte ein, welche sie verbauen.
Echtzeitübersetzung kann auf Baustellen helfen, auf denen Sprachbarrieren vorherrschen – gerade im Rohbau ist das interessant.
Bedarfsvorausplanungen sind für alle produzierenden Handwerke hilfreich – Tischlereien, Bäckereien oder auch dem Metallbau.
Chatbots und die dahinterstehende 24/7-Erreichbarkeit hingegen sind für nahezu alle Handwerksbetriebe interessant, genauso wie Umsatzanalysen oder Auswertungen von Betriebsdaten.
Auch Bildverarbeitung ist etwas, was in jedem Handwerk Einsatz finden kann, wie der „Semmeldetektor“ vom KI-Hub Kronach zeigt (Quelle: https://www.deutsche-glasfaser.de/blog/ki-hub-kronach-wo-kuenstliche-und-menschliche-intelligenz-zusammenarbeiten/ (28.04.2023)).
Das große „Ja, aber“
Und gerade bei Letzterem braucht es noch mehr Lösungen, die möglichst einfach und anwendungsnah implementiert werden können. Die Handwerksbetriebe selbst werden keine Bildverarbeitungs-Algorithmen einsetzen können. Nicht, weil es an entsprechenden Vorkenntnissen mangelt – schauen Sie mal die CNC-Programmierung in einer typischen Schreinerei an – sondern, weil es sehr zeitintensiv ist und neben dem Tagesgeschäft nur schwer abgearbeitet werden kann.
Daher braucht es mehr denn je Herstellbetriebe von Lösungen, welche die Zielgruppe Handwerk im Blick haben und mit ihnen zusammen Lösungen entwickeln, die dann skaliert werden können. Im Handwerk steckt die nächsten Jahre ein riesiges Potential im Bereich künstliche Intelligenz – ein Markt, der (noch) weitestgehend unbespielt ist.
Daher auch mein kleiner Aufruf an Studierende und angehende GründerInnen ebenso wie an Firmen, die neue Geschäftsmodelle erschließen möchten: Macht KI-Lösungen für das Handwerk, das kann sich lohnen. Wir vom Zentrum Handwerk unterstützen gerne dabei.
Fazit
Handwerk ist heterogen und besitzt neben seinen vielfältigen Tätigkeitsbereichen sehr viel Potential für zukünftige Lösungen im Bereich KI – ob Bedarfsvorausplanung, Chatbot oder ganz neue Lösungen, die noch niemand kennt.
Autor
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Robert Falkenstein (B.Eng.) studierte im Bachelor Elektro- und Informationstechnik und befindet sich derzeit im Berufsbegleitenden Masterstudiengang ZukunftsDesign, beides an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg. Er ist seit dem 01.10.2022 Projektleiter am Schaufenster Bayreuth vom Zentrum Handwerk und betreut die Themen KI, IoT, Robotik und AR/VR. Er ist zudem KI-Koordinator vom Zentrum Handwerk. |
Bildquellen
- KI auf der Baustelle: © Stable Diffusion - Eingabe: „KI auf der Baustelle“