Vor dem Einsatz von Kies in der Betonherstellung sind störende Bestandteile, Verunreinigungen und Schadstoffe in den natürlichen Gesteinskörnungen zu detektieren, nachzuweisen, zu entfernen bzw. auf ein Minimum zu reduzieren, um die geltenden Grenzwerte in den entsprechenden Regelwerken einzuhalten. Dies gilt ausschließlich für Gesteinskörnungen, die in Betonbauteilen eingesetzt werden. Insbesondere sind hierbei die als betonschädlich bekannten Bestandteile, wie alkaliempfindliche, schwefelhaltige oder eisenhaltige Anteile in den Gesteinskörnungen zu vermeiden, aber auch leichtgewichtige organische Verunreinigungen. Die Prüfung erfolgt sowohl in der Qualitätskontrolle des Kieswerks als auch in der Wareneingangskontrolle des verarbeitenden Betriebes sowie im Rahmen einer übergeordneten Fremdüberwachung durch zertifizierte Prüfbüros (Abbildung 1. Klicken Sie auf die Grafik für eine größere Darstellung).
In diesem Bereich bietet sich der Einsatz von Bilderkennungsverfahren an. Die Anforderungen an das Erkennungsverfahren sind bedingt durch die hohe Variabilität in Form, Farbe und Textur, welche auch innerhalb der einzelnen zu unterscheidenden Klassen auftritt, sehr hoch. Hierbei bietet sich die Verwendung eines CNNs (Convolutional Neural Network) an. Diese Verfahren gelten derzeit als die leistungsfähigsten Klassifikatormodelle.
Im Gegensatz zu einem klassischen neuronalen Netz auf Basis des Multi-Layers-Perzeptrons, welches nur eine Klassifizierungsschicht bzw. verdeckte Schicht enthält, besteht der Aufbau eines CNNs aus zwei verschiedenen Arten von Verarbeitungsschichten. Im sogenannten Convolutional-Layer werden die spezifischen Merkmale eines jeden Bildes extrahiert, indem dieses einer Faltung bzw. Filterung unterzogen wird. Dadurch reduziert sich die ursprüngliche Größe und spezifische Merkmale werden verstärkt. Beispiele aus der Bildverarbeitung für diese Operation ist ein Gaußfilter zur Unterdrückung von Rauschen oder ein Hochpassfilter zur Verstärkung von Kanten. Das Eingabebild wird nun durch eine ganze Reihe dieser Filter geleitet, wodurch jeweils neue kleinere Bilder entstehen. Im Ergebnis werden Bildmatrizen definierter Größe erzeugt, welche erheblich kleiner sind als das Ausgangsbild.
Der Klassifikationsschicht (Perception Layer) werden diese dann als Eingabe zur Verfügung gestellt. Hier werden Merkmale der Bildmatrizen kombiniert, um das Bild schließlich zu klassifizieren. Der große Vorteil besteht darin, dass keine problemspezifische Merkmalsextraktion erarbeitet bzw. programmiert werden muss sondern das neuronale Netz diese selbst vornimmt. Aufgrund der kaskadierten Architektur mit mehreren hintereinanderliegenden Convolutional-Layers entsteht ein vielschichtiges Netz, welches buchstäblich eine große Tiefe aufweist. Daher resultiert der Begriff „Deep Learning“, also tiefes Lernen. Aufgrund der Komplexität des Netzes werden für das Training sehr hohe Datenmengen benötigt. Im Bereich der Gesteinserkennung ist es möglich, diese im Rahmen von Stichproben zu erzeugen.
Im Feld der Gesteinserkennung haben sich hyperspektrale Verfahren als zielführend erwiesen. Hierbei wird einerseits das sichtbare Licht im roten, grünen und blauen Wellenlängenbereich analysiert, wie sie z.B. durch eine handelsübliche Farbkamera erzeugt werden können. Ein breitbandiger Spektralsensor erzeugt zusätzlich Bilder in mehreren Spektralkanälen. Diese liegen im Bereich von 900 bis 1.700 nm Wellenlänge. In diesen Bildern sind chemische Charakteristika der einzelnen Mineralien abgebildet, welche durch ein neuronales Netz erkannt werden können.
Um nun einen CNN-Klassifikator trainieren zu können, ist die Aufnahme einer repräsentativen, durch einen Fachexperten vorklassifizierten Stichprobe, der sogenannten Trainingsmenge nötig. Neben den genannten Spektraldaten wird mittels Farbzeilenkamera ebenso ein Farbbild im sichtbaren Wellenlängenbereich von 400 bis 780 nm aufgenommen. Um das Gestein automatisiert zu vereinzeln und dem zeilenbasierten Hyperspektralscanner und der Farbkamera zuzuführen, wurde ein Versuchsaufbau realisiert (Abbildung 3). Das System besteht aus einem Förderband im unteren Bereich sowie rechts angeordnet die orangefarbene Hyperspektralkamera Specim FX 17 mit darunter angebrachter breitbandiger Halogenbeleuchtung und der Farbzeilenkamera mit LED-Beleuchtung links davon.
Nach der Aufnahme der Trainingsdatenmenge mit mehreren Zehntausend Beispielobjekten wurden CNNs trainiert und getestet. Hierbei zeigte sich, dass es möglich ist, kritische Bestandteile in Betonzuschlagsstoffen auf den vorliegenden Hyperspektraldaten mit ca. 90 % Erkennungsrate zu detektieren. Besonders erfreulich ist hierbei, dass selbst auf den Daten der Farbkamera eine Klassifikation mit nahezu 90 % Sicherheit möglich ist. Bei Unterschreiten einer definierten Vertrauensschwelle, welche das CNN zusätzlich zu Klassifikation mit ausgibt, wird automatisch auf die Hyperspektraldaten zurückgegriffen. Die hohe Erkennungssicherheit selbst auf dreikanaligen Farbbildern ist besonders für eine praktische Umsetzung des Verfahrens von hoher Bedeutung, da Farbzeilenkameras nur ein Bruchteil der Kosten einer Hyperspektralkamera aufweisen. Dies begünstigt einen praktischen Einsatz des Verfahrens in der Industrie erheblich.
Fazit:
Die Trennung der Bestandteile einer Gesteinsprobe in kritische und unkritische Obergruppen ist auf Basis von Deep Learning auf den vorliegenden Farbkamera- und Hyperspektraldaten mit einer hohen Sicherheit möglich. Neben dem hier dargestellten Einsatzfall bilderkennender KI bieten sich noch weitere Einsatzfelder in der Baustoffindustrie an. Beispielhaft wären hier Sortier- und Analyseaufgaben im Rahmen der Aufbereitung von Recyclingbaustoffen oder das robotergestützte Verlegen von Fliesen und Platten zu nennen.
Über das zugrundeliegende Forschungsprojekt:
Das dargestellte Verfahren wurde im Rahmen des BMBF-geförderten Projektes „HyPetro – Automatisierte Echtzeit-Hyperspektral-Bildgebung und -analyse für die Erkennung betonschädlicher Bestandteile in Gesteinskörnungen“ entwickelt. Am Projekt waren die folgenden Partner beteiligt:
- GFE-Präzisionstechnik Schmalkalden GmbH
- Steinbeis Qualitätssicherung und Bildverarbeitung GmbH, Ilmenau
- Technische Universität Ilmenau, Fakultät Maschinenbau, Fachgebiet Qualitätssicherung und Industrielle Bildverarbeitung
- Materialforschungs- und -prüfanstalt an der Bauhaus-Universität Weimar
- HABAU Deutschland GmbH, Heringen/Helme
Ansprechpartner:
Daniel Garten
KI-Trainer in der Modellfabrik Prozessdaten
Telefon: 03683/690086
E-Mail: garten@kompetenzzentrum-ilmenau.de
Bildquellen
- Qualitätsbestimmung von Gestein in der Wareneingangs- und Ausgangskontrolle: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
- Beispiele für kritische Bestandteile in Gesteinskörnungen (v. l. n. r.: obere Reihe Opal, Sandstein, Kalk, untere Reihe Kohle, Pyrit, Brauneisen): © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
- Versuchsaufbau zur Datenaufnahme: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
- Betonmischer: © Nordroden – Motion Array