Zum diesjährigen Kongress der Initiative Mittelstand-Digital standen am 18. Juni im Berliner Tagungswerk die Potenziale Künstlicher Intelligenz (KI) sowie der Austausch von Erfahrungen, Impulsen und Erkenntnissen im Vordergrund. Daniel Abbou, Geschäftsführer im KI-Bundesverband e.V., verwies in seiner Keynote gleichfalls auf den dringenden Aufholbedarf, wenn Deutschland in der rasanten technologischen Entwicklung und Integration von KI-Technologien nicht den Anschluss verlieren wolle. Denn die Antworten, die uns Systeme wie ChatGPT derzeit geben, stammen aus Kalifornien und könnten in zukünftigen Szenarien politisch missbraucht werden, machte Abbou deutlich.
„Europe is left behind!“
Er forderte, dass die deutsche Wirtschaft ebenso wie die Politik jetzt handeln müsse und betonte hierbei insbesondere die Notwendigkeit der europäischen Vernetzung für den Wirtschaftsstandort Deutschland im Allgemeinen sowie für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Besonderen. Die Zusammenarbeit mit anderen Ländern biete deutschen Entscheidern in Wirtschaft und Politik eine Chance, die konstruktive Haltung anderer Länder zu übernehmen, um den „deutschen Regulierungsfetisch“ einzudämmen, Zugang zu innereuropäischem Venture Capital zu schaffen, die „German Angst“ hinsichtlich Kollaboration und Datensicherheit zu überwinden und KI als Chance zu sehen.
Die realistische Anforderung an deutsche KMU: Seid neugierig!
Ninette Florschütz und Karsten Jahn vom Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau nutzten den Kongress zur Inspiration wie auch zum Austausch, um Antworten zu erhalten, wie der Wandel gelingen kann. Sie sehen in ihrer täglichen Arbeit mit den KMU bereits positive Entwicklungen und aktive Beteiligung: „Viele kleine und mittlere Unternehmen orientieren sich bereits, tauschen sich aus und probieren neue Technologien aus.“ Dies zeigt sich laut Ninette Florschütz in den zahlreichen Vorträgen, Workshops und Stammtischen der Mittelstand-Digital-Initiative, wie beispielsweise der monatlichen Veranstaltungsreihe „KI als kreative Assistenz der Unternehmenskommunikation“, die regelmäßig 30-50 Teilnehmer verzeichnet. „Wir befinden uns derzeit in einer Orientierungs- und Experimentierphase und diese ist wichtig, um die Unsicherheit zu reduzieren“, so Florschütz.
Quelle: © Mittelstand-Digital Zentrum IlmenauAn dem Punkt, selbst KI-Systeme einzurichten und anzulernen, sind die Unternehmen also noch gar nicht. Dies macht auch KI-Expertin Tamara Czinczoll zum Kongress deutlich: Ihrer Ansicht nach brauchen deutsche KMU zunächst auch keine eigenen KI-Systeme, da noch viel Vorarbeit in Sachen Digitalisierung zu leisten ist. „Insbesondere die Chancen aus dem Zusammenspiel von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz gilt es weiterhin für den deutschen Mittelstand zu adressieren und Verunsicherungen abzubauen“, sagt Karsten Jahn. In diesem Zusammenhang spricht er auch die mediale Berichterstattung über Künstliche Intelligenz an, die nicht selten mit verzerrten, negativen Darstellungen Ängste vor Arbeitsplatzverlust befeuern. „Diese Technologien werden nicht mehr verschwinden – bleiben wir also neugierig und formen wir sie nach unseren besten Vorstellungen!“
Auftrag für die nächsten Jahre: Vernetzen
Unternehmen sollten vielseitig experimentieren und sich inspirieren lassen, um vorbereitet und bei Bedarf handlungsfähig zu sein. Was auf diese Weise bereits heute in den Diskussionsrunden, Stammtischen, Vorträgen und Workshops des Mittelstand-Digital Zentrums Ilmenau entsteht, sind nicht nur Ideen zur Prozessoptimierung, sondern Use Cases und neue Impulse für Geschäftsmodelle. Ein weiterer Auftrag für die kommenden Jahre ist es somit, KMU und Start-ups an einen Tisch zu bringen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Leitungsebene selbst oder Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen teilnehmen – wichtig sei vielmehr der Austausch unter denen, die offen für Neues sind und Lust auf Weiterentwicklung haben. Auf diese Weise könne auch das Mystifizieren von KI aufhören und der Neugier und dem Experimentieren Raum geben.
Schluss mit der Mystifizierung der KI
Wie steht es nun um die Offenheit von Mitarbeitenden gegenüber KI? Diese Frage beantwortete Wolf Gunter Schlief von Kompass gGmbH auf dem Kongress mit dem hoffnungsvollen Ausblick, dass 76% aller Mitarbeitenden KI bereits zu Hause verwenden. Florschütz rät daher, die positiven Voraussetzungen in den Unternehmen zu nutzen: „Denn letztendlich ist KI auch nur ein Werkzeug, das wir in wenigen Jahren schon allein aus Effizienzgründen einsetzen können sollten, sonst ziehen andere Anbieter schon bald an unseren Unternehmen vorbei.“
Bildquellen
- Empfangs-Rollup: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau
- Christina Decker, Abteilungsleiterin Digital- und Innovationspolitik im BMWK bei ihrer Begrüßung: Borrs/WIK