Quelle: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau

Ein zeitaufwendiger Schritt der Arbeitsvorbereitung im pulverbettbasierten 3D-Druck umfasst die Ausrichtung des zu druckenden Teils im 3-dimensionalen Bauraum des Druckers. Die Ausrichtung bezeichnet, wie ein Teil gedruckt wird, z.B. liegend, aufrechtstehend oder gedreht und sie hat Einfluss auf die Qualität, z.B. ob Verzug entsteht.  Die Festlegung der Ausrichtung erfolgt meist aufgrund von Erfahrungswerten der Arbeitsvorbereiter.

Problemstellung

Die 3Faktur GmbH in Jena ist ein industrieller 3D-Druck-Dienstleister. Im Auftrag von mehr als 2.000 Kunden werden Prototypen und Serienbauteile aus Kunststoff mit dem pulverbettbasierten HP Multi Jet Fusion-Verfahren gefertigt. Mehr als 100.000 additive Serienbauteile verlassen jährlich die Werkshallen.

Kunden senden ihre Auftragsdaten bzw. 3D-Modelle (meist STL-Dateien) der zu druckenden Teile entweder über die Webseiten des Unternehmens oder per E-Mail. Häufig enthalten neue Aufträge Teile, die bereits einmal produziert wurden, d.h. es handelt sich um Wiederholungsdrucke identischer oder den Druck ähnlicher Teile, die sich nur geringfügig in der Skalierung oder in wenigen Merkmalen (z.B. abgerundete statt scharfer Kanten) unterscheiden. Die Modelldaten haben zudem meist bestellspezifische Bezeichnungen, so dass für die Arbeitsvorbereitung nicht unmittelbar erkennbar ist, ob diese oder ähnliche Teile bereits gedruckt wurden. Damit kann wichtiges fertigungsrelevantes Wissen wie z.B. die für die Qualität bedeutsame Ausrichtung der Teile im Bauraum nicht direkt für Folgeaufträge genutzt werden. Das verursacht Zeit- und damit Kostenaufwand, der eigentlich nicht notwendig wäre.

Zielsetzung

Ziel des Projektes war es, gemeinsam Lösungsansätze zu erarbeiten, die bei einem Auftragseingang eine automatisierte Erkennung von Ähnlichkeiten zu bereits gefertigten Teilen ermöglichen. Fertigungsrelevantes Wissen für eine qualitativ hochwertige Produktion aus früheren Aufträgen soll genutzt werden, um den Zeitaufwand in der Arbeitsvorbereitung deutlich zu verkürzen und Fehldrucke zu vermeiden.

Projektbeschreibung

Im Projektverlauf wurden zwei Ansätze zur Erkennung von Ähnlichkeiten prototypisch umgesetzt, getestet und miteinander verglichen:

  1. Ähnlichkeitsanalysen mit einer in Python erstellten Anwendung durch Verwendung von Kenngrößen und
  2. Bilderkennung mit Hilfe maschinellen Lernens

Das Generieren des Testdatenbestandes, der für beide Ansätze genutzt wurde, erfolgte aus A – bereits fehlerfrei gedruckten Teilen aus früheren Aufträgen und B – neu beauftragten Teilen besteht.

Dazu wurden zunächst ca. 2.000 3D-Modelle aus frei zugänglichen Portalen für 3D-Modelle genutzt und die Daten bereinigt, d.h. reparaturbedürftige Modelle aussortiert, um für die Tests sicherzustellen, dass nur Modelle als Vergleichsobjekte verwendet werden, deren Ausrichtung beim Druck ein fehlerfreies Ergebnis liefert. Anschließend wurden eigene 3D-Modelle konstruiert und davon verschiedene Varianten erzeugt, die Veränderungen wie zum Beispiel zusätzliche Bohrungen, abgerundeten Kanten und andere Skalierungen enthalten.

Die Originale der Eigenkonstruktionen sind schließlich dem Datenbestand A, den bereits erfolgreich gedruckten Teilen hinzugefügt worden, während die veränderten Varianten als Testdaten für B, Teile aus neuen Aufträgen dienen.

Zur Durchführung der Ähnlichkeitsanalysen kam eine mit Python erstellte Anwendung zum Einsatz. Vorbereitend erfolgte die Auswahl der für die Bewertung der Ähnlichkeit in Frage kommenden Kriterien (Kenngrößen), u.a. Volumen, Oberfläche und „Verhältnis Volumen zu Oberfläche“. Diese Kenngrößen wurden mit Hilfe kostenfreier Programmbibliotheken aus den 3D-Modell-Datensätzen extrahiert und in einer Datenbank abgelegt. Für die Analyse wurden anschließend die Kenngrößen des 3D-Modells aus einem neuen Auftrag (B) mit den in der Datenbank hinterlegten Kenngrößen der 3D-Modelle aus bereits erfolgreich gedruckten Aufträgen (A) verglichen. Die berechnete Differenz diente als Maß zur Bewertung der Ähnlichkeit: je kleiner, je ähnlicher.

Die Ergebnisse der zahlreichen Versuchsreihen mit dem Kenngrößenvergleich erwiesen sich jedoch nicht als zufriedenstellend. Vorhandene Ähnlichkeiten, die für eine schnelle Festlegung der Ausrichtung des zu druckenden Teils im Bauraum im Rahmen der Arbeitsvorbereitung hätten genutzt werden können, wurden nicht ausreichend erkannt, z.B. einfache Skalierungen.

Als Alternative rückte deshalb ein auf maschinellem Lernen basierender Ansatz zur Bilderkennung in den Mittelpunkt. Dazu wurden ein vortrainiertes, kostenfreies KI-Modell mit den erstellten Testdaten trainiert und validiert. Diese Lösung erbrachte deutlich bessere Ergebnisse: Ähnlichkeiten wurden schneller und sicherer erkannt.

Lösung

Eine KI-basierte Lösung hat sich als erfolgsversprechend für die Erkennung von Ähnlichkeiten zwischen bereits fehlerfrei bearbeiteten und neuen 3D-Druck-Aufträgen erwiesen. „Sowohl beim Generieren der Testdaten, als auch beim Erstellen des KI-Modells haben wir Erfahrungen gesammelt, die wir für die Entwicklung einer individuellen Anwendung nutzen wollen“, fasst 3Faktur-Geschäftsführer Markus May die Projektergebnisse zusammen. Dafür ist nun eine Evaluierung mit realen Kundendaten geplant.

Vorteile dieser Lösung (Mehrwert für KMU)

  • Nutzung frei verfügbarer, kostenfreier Werkzeuge (Bibliotheken, STL-Dateien, KI-Modelle) zur Erstellung von Testdaten
  • Schnelles Erkennen von Ähnlichkeiten bereits gefertigter und neuer Teile ermöglicht die Nutzung von Erfahrungswissen in der Arbeitsvorbereitung
  • Arbeitsvorbereitung wird erleichtert und effizienter
  • Fehler in der Produktion können vermieden werden

Themenfeld

  • Veränderung in der Produktionsplanung und -steuerung

Hauptschwerpunkt

  • Additive Fertigung
  • KI (z.B. Machine Learning)

 

Beteiligte

Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau, Modellfabrik Virtualisierung

 

3Faktur GmbH

 

Kontakt

Constance Möhwald
E-Mail: moehwald@kompetenzzentrum-ilmenau.de

Bildquellen

  • Projekt 3D-Modellerkennung: © Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau